Gefahrguttransport: Neuerungen im Transportwesen ab 1. Juli 2025

21.06.2025 • Bei den zehn Instituten der DVPI werden jährlich auch viele Fahrlehrer der Klasse CE für Lkw ausgebildet. Und im Transportwesen gibt es – wie auch im allgemeinen Verkehrswesen – jährlich viele neue Verordnungen. So regelt beispielsweise das ADR (Agreement concerning the International Carriage of Dangerous Goods by Road) seit 1957 den sicheren Transport gefährlicher Güter auf der Straße. Es wird alle zwei Jahre angepasst, zuletzt mit neuen Vorschriften für Lithium- und Natrium-Batterien. Ein aktueller Gerichtsfall zeigt, wie wichtig es ist, die Regeln zu kennen: Wird gefährliches Gut falsch oder gar nicht deklariert, können hohe Schäden und Haftungsfragen entstehen.

Das ADR, ein Übereinkommen, das sich mit grenzüberschreitenden Gefahrguttransporten beschäftigt, wurde von Mitgliedstaaten der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) entwickelt und 1957 in Genf beschlossen. Es ist Ende der 1960er Jahre in Kraft getreten. Mitglieder sind alle EU-Staaten sowie eine Reihe weiterer europäischer und außereuropäischer Staaten. Die Abkürzung steht für Agreement concerning the International Carriage of Dangerous Goods by Road. Der technischen Entwicklung geschuldet, wird es regelmäßig im Zwei-Jahres-Rhythmus aktualisiert. Meist geht es um neue Gefahrgüter, neue Technologien oder praktische Probleme, bei denen „nachgeschraubt“ wird.

Fünf neue UN Nummern

So gab es zum 1. Januar 2025 wieder einmal Anpassungen, die bis zum 30. Juni 2025 in Deutschland umzusetzen bzw. ab dem 1. Juli 2025 zu beachten sind. Hervorzuheben sind dabei die Neuerungen beim Transport von Lithium- und Natrium-Batterien. Hier werden unter anderem Details zur Verpackung, Kennzeichnung und Dokumentation für deren Beförderung neu geregelt. Ganz neu in das ADR aufgenommen wurden Natrium-Ionen-Batterien. Im Zuge dessen erweitert sich der Geltungsbereich der Batterien um fünf neue UN Nummern (4-stellige Nummern, die von einem Expertenkomitee der Vereinten Nationen vergeben werden). So weit, so gut. Aber wozu braucht man das? Was ist die praktische Relevanz für den Fuhrunternehmer und seine Mitarbeiter oder andere Transportbeteiligte? Der Gütertransport steckt bekanntlich voller Gefahren.

Viele Fahrer sind überfordert

Das Transportgut verschwindet (fällt vom Laster), wird beschädigt oder kommt zu spät am Empfangsort an, mit zum Teil erheblichen Kostenfolgen. Für all das haftet meist der Transportunternehmer (verschuldensunabhängig, aber immerhin der Höhe nach begrenzt). Er muss alles wissen, alles bedenken, jede Regel kennen. Und weil er selten selbst vor Ort ist, mutiert der Fahrer zum umfassend informierten und allwissenden Vertreter. Damit ist der Fahrer nicht selten überfordert. Ihn lockte bei der Berufswahl die Freiheit der Straße, nicht die Sondervorschrift SV677 über beschädigte Batterien und Zellen oder die Verpackungsanweisung P912 über den Transport von Elektrofahrzeugen. Bisweilen muss dann aber auch der Fahrer erleben, dass diese Regelungsflut einen durchaus praktisch-relevanten Hintergrund hat, dann nämlich, wenn es zu spät ist und brennt. Das geschieht häufiger als man glaubt. Und bisweilen muss ein Absender feststellen, dass auch er verantwortlich dafür sein kann, dass er Dinge transportieren lässt.

Immer genau die Ladung anschauen

Der Oberste Gerichtshof der Republik Österreich (OGH) in Wien hatte sich vor einiger Zeit mit einem solchen Fall zu befassen. Da es um einen grenzüberschreitenden Transport ging und deshalb die Vorschriften der CMR einschlägig waren, hätte ein deutsches Gericht wohl ähnlich geurteilt. Stark vereinfacht: Ein Frachtführer wurde beauftragt, eine Ladung „E-Schrott lose 23 to“ zu befördern. Sonstige Angaben gab es keine, auch nicht im CMR-Frachtbrief. Der Frachtführer beauftragte, wie das so üblich ist, einen Unterfrachtführer, dessen Fahrer an die Beladestelle fuhr, wo ihm in loser Schüttung das Transportgut in auf seinem Auflieger stehende Containermulden geladen wurde. Was genau geladen wurde, konnte der Fahrer nicht sehen, vermutlich hat er auch nicht hingeschaut.

Lithium-Batterien produzierten Kurzschlüsse

Der Fahrer fuhr dann los und machte irgendwann auf dem Weg vorschriftsmäßig Pause, als er aufsteigenden Rauch aus dem Dach des Aufliegers wahrnahm. Ein Löschversuch schlug fehl, woraufhin der Fahrer geistesgegenwärtig, jedenfalls mutig, die Zugmaschine abkoppelte und in Sicherheit brachte, bevor der Auflieger durch das Feuer vollständig zerstört wurde. Wie sich später herausstellte, befanden sich in der Ladung auch lose durcheinandergeworfene Lithium-Batterien, die aufgrund mechanischer Beanspruchung während des Transports Kurzschlüsse produzierten, sich plötzlich entluden und aufgrund der damit verbundenen Erwärmung selbst entzündeten.

Gefährliches Gut muss separiert werden

Der Unterfrachtführer verklagte nun seinen Auftraggeber, den Frachtführer (der im Verhältnis zum Unterfrachtführer als Absender im Sinne des Transportrechts fungiert) auf Ersatz seines Schadens und wollte einen neuen Auflieger. Das erstinstanzliche Gericht gab dem Kläger recht und vertrat die Ansicht, dass der Absender dem Frachtführer nach Art. 10 CMR für alle durch die mangelhafte Verpackung des Gutes verursachten Schäden hafte. Vorliegend war gar nichts verpackt, aber keine Verpackung ist dann eben mangelhafte Verpackung, wenn es einer Verpackung bedurft hätte, so der Gedankengang des Gerichts. Der Absender hätte den Schrott also vorsortieren müssen, hätte gefährliches Gut separieren, gesondert verpacken und kennzeichnen müssen (nach den Regeln des ADR). Diese Argumentation des Erstgerichts erscheint nachvollziehbar und wurde von der Berufungsinstanz bestätigt. Der Beklagte legte dennoch Revision zum OGH ein. Nun wären oberste Richter nicht oberste Richter geworden, wenn sie nicht etwas herausfinden könnten, was andere übersehen haben.

Absender haftet für Kosten und Schäden

Art. 10 CMR, so der OGH, sei nicht einschlägig, weil lose Schüttung nun einmal unverpackt sei, was sich aus ADR 1.2.1 ergebe, was bisher keiner bemerkt hatte. Die Rettung des Frachtführers fand sich aber in Art. 22 CMR. Nach dieser Vorschrift muss der Absender den Frachtführer bei Übergabe gefährlicher Güter auf die genaue Art der Gefahr aufmerksam machen und ihm gegebenenfalls die zu ergreifenden Vorsichtsmaßnahmen angeben. Wenn er das nicht tut, kann der Frachtführer das Gut jederzeit ausladen, vernichten oder unschädlich machen, ohne dass er in irgendeiner Form haften würde. Sodann haftet der Absender dem Frachtführer für alle durch die Übergabe dieser Güter zur Beförderung entstandenen Kosten und Schäden.

Alle Transportbeteiligten sollten ADR kennen und beachten

Somit haftete im vorliegenden Fall der Frachtführer seinem Unterfrachtführer und scheiterte auch mit dem Versuch, sich der Haftung mit dem Argument zu entziehen, schuld an alle dem sei der (deutsche) Urabsender, was sein mag, aber eben nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits war. Ob nicht vielleicht doch ein gewisses Mitverschulden des Frachtführers darin zu sehen sein könnte, dass dieser nicht einmal nachgefragt hat, obgleich es bei einer Ladung Elektroschrott nicht ganz fernliegt, dass auch Batterien dabei sind, wird in keinem der Urteile thematisiert. Transportbeteiligte sollten also das ADR kennen, beachten und sich gegenseitig informieren. Dann lassen sich solche Haftungsfälle vielleicht vermeiden.

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