Fahrlehrer ist ein Traumjob! Sagen fast alle, die diesen Beruf ausüben. Kurze Ausbildungszeit, gutes Start-Einkommen, äußerst abwechslungsreicher Berufsalltag mit hoher Flexibilität, umfassende Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten sowie jede Menge Kommunikation mit unterschiedlichen, spannenden und meist jungen Menschen. Und dennoch wird es für die Branche immer schwerer, Nachwuchs zu akquirieren.
Laut der DVPI hat ein Großteil der deutschen Bevölkerung den Fahrlehrerberuf im Rahmen der eigenen beruflichen Karriereplanung nicht auf dem Schirm. Kaum einer weiß, wie man Fahrlehrer wird und welche Voraussetzungen man dazu benötigt. Nicht selten wird Fahrlehrern und Fahrlehrerausbildern die Frage gestellt, was sie hauptberuflich machen. Und leider ist dieser schöne Beruf immer noch mit Vorurteilen und Klischees behaftet. „Fahrlehrer fahren den ganzen Tag spazieren“, „Fahrlehrer gehen während den Fahrstunden“ einkaufen und ähnliche Aussagen sind nur Beispiele des allgemeinen Meinungsbilds. Dass es sich um einen seriösen pädagogischen Beruf handelt, ist vielen nicht bewusst.
1999 wurden mit der Einführung der zweiten Ausbildungsphase (Reform FahrlG 1999) mehr pädagogische Aspekte in die Fahrlehrerausbildung integriert. Vor 1999 mussten Auszubildende nur fünf Monate in die Fahrlehrerausbildungsstätte und waren nach drei bestandenen Prüfungen Fahrlehrer. Die zweite Ausbildungsphase gab es noch nicht. Eigentlich war das ein positiver Aspekt, denn die neuen Fahrlehrer wurden somit nach den Prüfungen nicht „ins kalte Wasser“ geworfen – sondern durchliefen wie Lehrer an Schulen eine Art Referendariat (Praktikum) und mussten zwei Lehrproben vor „echten“ Schülern ablegen.
Allerdings war der damalige Fahrschulmarkt zu diesem Zeitpunkt mit Fahrlehrern und Fahrschulen
„überschwemmt“. Daher bestand für die Fahrschulen damals keine wirtschaftliche Notwendigkeit,
ihre Fahrlehrer selbst auszubilden. Entsprechend wurde damals die Nachwuchsarbeit vernachlässigt
und nach der Reform ging die Anzahl der neu erteilten „Fahrlehrerscheine“ stark zurück. Zusätzlich
erschwert wurde die Rekrutierung von Fahrlehrern durch die Einführung von Aus- und Weiterbildungen
von Berufskraftfahrern (2006) verlängerte Führerschein-Prüfungszeiten sowie höhere Anforderungen an
die Fahrschüler und die Fahrlehrer. Die Anforderungen gingen hoch, die Zahl der Interessenten für diesen
Beruf immer weiter nach unten.
Ein weiterer negativer Aspekt: Jahrelang kamen massig Fahrlehrer von der Bundeswehr, da sie dort bereits ausgebildet wurden. Nachdem aber 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, konnten auf diesem Weg kaum noch ausgebildete Fahrlehrer rekrutiert werden. Diese „Quelle“ ist somit fast komplett versiegt, es mussten und müssen andere Mittel der Rekrutierung gefunden werden.
Denn nach und nach hatte die Branche zu wenig Fahrlehrer und Ausbilder. Somit wurde die Ausbildungsfahrschule zu einem wichtigen Wettbewerbsvorteil in der Rekrutierung von neuen Fahrlehrern. Langfristig macht es für die Fahrschulinhaber daher immer mehr Sinn, Fahrlehrer auszubilden, als kurzfristig einen ausgebildeten Fahrlehrer anzuheuern.
Denn die Zahl der jungen Menschen, die den Führerschein machen wollen, sinkt kaum, belegen die Zahlen von Statista. Während der Corona-Pandemie gab es im Jahr 2020 zwar einen deutlichen Rückgang, doch schon in 2021 stiegen die Zahlen der Führerscheinanwärter wieder deutlich an. Weniger Fahrlehrer und mehr Fahrschüler bedeutet, dass die Wartezeiten bis zum Führerschein immer länger werden. Weil es immer weniger Fahrlehrer gibt, mussten außerdem die Zweigstellen vieler Fahrschulen geschlossen sowie Fahrstundenpreise und Führerscheinkosten erhöht werden. Der Fahrlehrermangel hat deutlichen Einfluss auf die Gehälter und Preise der Fahrschulen.
Und nicht nur die Fahrlehrerbranche hat zu kämpfen: Die Spitzenverbände der deutschen Bus- und Güterkraftverkehrsbranchen klagen laut bundestag.de ebenfalls über einen gravierenden Fahrpersonalmangel und fordern schnelle Gegenmaßnahmen. Derzeit fehlen laut Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) und Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) etwa 60.000 bis 80.000 Berufskraftfahrer für Busse und Lkw. Es gebe kaum Bewerbungen von Auszubildenden, der Kraftfahrerberuf sei nicht gut angesehen bei jungen Menschen. Und selbst wenn es genügend Bewerber gäbe – wer sollte diese ausbilden?
In den vergangen fünf Jahren ging die Anzahl der Fahrschulen und der Fahrerlaubnisinhaber
konstant zurück. Mit einem Durchschnittsalter von 54,2 Jahren (2022) ist die Fahrlehrerschaft
außerdem relativ alt. 36,4 Prozent der Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer sind über 60 Jahre alt.
Erste Maßnahmen, dem Rückgang entgegenzuwirken, sind beispielsweise die Eröffnung von immer mehr
Fahrlehrerausbildungsstätten wie die des DVPI-Verbundes, die mit professionellen Dozenten,
dem neuesten Lernmaterial und modernen Schulungsräumen versuchen, den Job des Fahrlehrers wieder
schmackhaft zu machen.
Ein weiterer Anreiz: Als Folge des Fahrermangels steigen bundesweit die Gehälter für Fahrlehrer.
Daher gab es im Jahr 2021 seit Langem wieder einen leichten Anstieg der Anzahl der
Fahrlehrererlaubnishalter. Hier gibt vor allem der Anteil an jüngeren, weiblichen Fahrlehrerinnen Grund
zur Hoffnung. Bei der letzten Erhebung im Jahr 2019 lag der Frauenanteil bei 10,4 Prozent. Nach aktuellen
Informationen von Fahrlehreranwärtern sind derzeit in den Ausbildungskursen bis zu einem Drittel der
Teilnehmer Frauen. Die meisten weiblichen Fahrlehrer gibt es bundesweit aktuell in Hamburg.
Trotz dieses leicht positiven Trends mussten rund ein Viertel der Fahrschulen in Deutschland in den
letzten Jahren immer wieder Schülerinnen und Schüler ablehnen, weil nicht genügend Personal vorhanden
war, um die Ausbildung durchzuführen. Hier ein paar Zahlen des MOVING Fahrschul-Kima-Index aus dem Jahr
2021:
Ein weiteres Anzeichen für den Fachkräftemangel ist die von der Bundesagentur für Arbeit (BfA) gelistete Vakanzzeit. Darunter versteht man die Zeitspanne zwischen der Ausschreibung einer Stelle und der Einstellung eines passenden Bewerbers. Die Vakanzzeit für Fahrlehrerstellen lag 2017 bei 175 Tagen, im April 2019 betrug die Vakanzzeit bereits 210 Tage. Im Bundesdurchschnitt können offene Stellen aus allen Bereichen aktuell nach 139 Tagen besetzt werden. Während des Lockdowns der Fahrschulen durch die Corona-Pandemie stieg die durchschnittliche Vakanzzeit im Fahrlehrerberuf im April 2020 auf 276 Tage. Im August 2020 hatte sie sich wieder auf durchschnittlich 210 Tage eingepegelt, 2021 waren es dann wieder 245 Tage. 2023 liegt die Vakanzzeit für arbeitslose Fahrlehrer bei 298 Tagen. Allerdings gibt es viele Fahrschulen, die ihre vakanten Stellen nicht bei der BfA melden. Daher dürfte die wirkliche Vakanzzeit für Fahrlehrer deutlich höher liegen. Deswegen appellieren die Institute der DVPI an die Fahrschulen, ihre offenen Stellen zu melden.
Dank der Bemühungen der Verbände, der Politik und insbesondere auch der zukunftsorientierten, innovativen Fahrschulen konnte der Negativtrend gebrochen werden und man kann wieder mehr Menschen für das Berufsbild des Fahrlehrers begeistern. Abzulesen ist das an Auswertungen des Kraftfahrt-Bundesamtes, das folgende Entwicklung aufzeigt:
Gab es 2015 noch 45.238 Inhaber einer Fahrlehrerlaubnis, ging diese bis 2018 auf 44.092 zurück, ehe danach wieder auf 44.203 im Jahr 2019 und auf 44.336 im Jahr 2020 anstieg. Diese Entwicklung ist zwar nur minimal, aber immerhin leicht positiv. Nach Expertenschätzungen besitzen rund 19,5 Prozent beziehungsweise circa 9.000 Personen zwar eine Fahrlehrererlaubnis, sind aber nicht als Fahrlehrer tätig. Aktuell ist aber auch hier ein Trend zu beobachten, dass diese „Scheinhalter“ wieder als Fahrlehrer zurückgeholt werden können. Außerdem sind viele Fahrlehrer auch über das Rentenalter hinweg weiter tätig. Nach der Reform von 2018 ist zwar eine leichte Trendwende zu beobachten, dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass aktuell rund 10.000 Fahrlehrer in der Branche fehlen und ca. 50 Prozent der aktiven Fahrlehrer bis 2030 das Renteneintrittsalter erreicht haben. Daher benötigt die Branche unbedingt neue ausgebildete Fahrlehrer.
Sehr erfreulich: Der Anteil der weiblichen Fahrlehrererlaubnishalter bis 74 Jahre stieg in den Jahren 2015 bis 2020 von 8,9 auf 10,8 Prozent. Für 2025 wird erwartet, dass knapp 13 Prozent der Fahrlehrerlaubnishalter in Deutschland weiblich sind. Und die Rahmenbedingungen sind eigentlich sehr gut, denn flexible Arbeitszeiten und selbstständiges Arbeiten – die im Fahrlehrer-Beruf gegeben sind – kommen den Wünschen und Anforderung von Frauen häufig entgegen. Außerdem haben Frauen mit weiblichem Einfühlungsvermögen, Intuition und Verständnis sowie hoher Kommunikationsfähigkeit für den
Beruf der Fahrlehrerin die besten Voraussetzungen.
Für viele Interessenten besteht die Einstiegshürde in den Fahrlehrerberuf darin, dass Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung nicht Fahrlehrer werden können. Eine Ausnahmeregelung nach Paragraph 54 im Fahrlehrergesetzbuch bietet – zumindest in der Theorie – jedoch die Möglichkeit, eine gleichwertige Vorbildung nachzuweisen. Laut eines wissenschaftlichen Gutachtens heißt es „Der mittlere Abschluss ist als gleichwertige Vorbildung zu qualifizieren.“ Absolventinnen und Absolventen der Realschule sollen somit bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einen Anspruch auf Erteilung der Fahrlehrerlaubnis haben. Die DVPI stellen Interessenten dieses Gutachten sehr gern zur Verfügung. Auch Interessenten, die die Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung nach aktuellem Stand des Fahrlehrergesetzes nicht erfüllen, bietet der Gesetzgeber die Möglichkeit, ihre Qualifikation mit einem Berufseignungstest unter Beweis zu stellen.
Der Mobilitätsbranche muss es in den kommenden Monaten und Jahren gelingen, Menschen für diese großartigen, spannenden und abwechslungsreichen Berufe zu begeistern. Das gilt nicht nur für die Fahrlehrerbranche, sondern auch für Jobs im Transportwesen, Arbeitsplätze im Öffentlichen Personennah- und Fernverkehr sowie in der allgemeinen Personenbeförderung. Und der Fahrlehrerberuf ist hier ein Schlüsselberuf, denn: Ohne genügend Fahrlehrer können nicht genügend Fahrer für Bus, Lkw und Co. ausbildet werden. Hier müssen Politik, Verbände, Ausbildungsstätten und Arbeitgeber mit attraktiven Angeboten, diversen Förderungsmöglichkeiten sowie professionellen Konzepten an einem Strang ziehen. Ansonsten kommt es zu weiteren Engpässen in der Ausbildung – bei Ausbildern und Auszubildenden.