Fahrlehrer werden: Mit diesen bürokratischen Hürden müsst Ihr rechnen

12.03.2024 • Fahrlehrer gelten als staatlich anerkannte Lehrkräfte. Aus gutem Grund gibt es für den Fahrlehrerberuf – wie für viele andere Berufe auch – gesetzliche Zugangsvoraussetzungen. Allerdings werden diese im Falle des Fahrlehrerberufs in Deutschland weder stringent noch einheitlich und damit leider oft relativ willkürlich ausgelegt. Dadurch wird vielen motivierten und qualifizierten Menschen der Zugang zum Beruf der Fahrlehrerin und des Fahrlehrers versagt und die Zugangsregeln werden so zu echten Berufsverhinderungsregeln.

Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine hatten und haben schwerwiegende Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Auch wirtschaftlich. Viele Bereiche, wie zum Beispiel die Gastronomie, das Transportwesen oder die Pflegebranche, sind schwer gebeutelt und kämpfen um Fachkräfte. Auch die Fahrlehrerschaft, in der es auch davor schon große Nachwuchssorgen gab, kämpft massiv gegen den Rückgang an Bewerbungen und Nachwuchskräften.

Daher fordern wir, die Institute der DVPI, eine sinnvolle und dem Willen des Gesetzgebers entsprechende Auslegung. Und zwar schnell. Denn die Nachfrage nach Führerscheinen ist nach wie vor ungebrochen bei den jungen Leuten, die Fahrlehrerschaft hingegen wird immer älter. Weil Fahrlehrer fehlen, werden die Führerscheine immer teurer.

Die Zugangsregelungen: Eigentlich ganz einfach

Im § 2 Fahrlehrergesetz (FahrlG) sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrlehrerlaubnis geregelt. In § 4 FahrlG ist definiert, welche Unterlagen bei Antragstellung bei der Behörde einzureichen sind. Nähere Erläuterungen gibt es in unserem Artikel zu den Zulassungsvoraussetzungen. Grundsätzlich gibt es hier keine größeren Probleme, die Behörden legen diese Vorschriften mit kleinen Abweichungen bundesweit gleich aus. Unterschiedliche Auslegungen gibt es jedoch hinsichtlich der Formulierung der Voraussetzung in § 2 Abs. 1 Nr. 5 FahrlG. Diese Voraussetzung wurde mit der Reform 2018 neu formuliert und fordert, dass der Bewerber für die Erteilung einer Fahrlehrerlaubnis eine „abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf oder eine gleichwertige Vorbildung“ nachweisen muss.

Während die Voraussetzung „abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf“ eindeutig formuliert ist und keinen Interpretationsspielraum zulässt, ist die Formulierung „gleichwertige Vorbildung“ rechtlich völlig unklar.

Was ist zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung gleichwertig?

Vor der Reform wurde beispielsweise eine langjährige Berufserfahrung ohne Berufsabschluss allgemein als gleichwertig angesehen. Aktuell vertreten die Behörden die aus unserer Sicht völlig falsche Auffassung, dass eine einer abgeschlossenen Berufsausbildung gleichwertige Vorbildung nur dann vorliegt, wenn man Abitur oder Fachhochschulreife hat. Aus diesem Grund werden derzeit weder der Realschulabschluss (Mittlere Reife) noch eine mehrjährige Berufserfahrung in einem Ausbildungsberuf ohne Berufsabschluss als gleichwertige Vorbildung anerkannt.

Nach unserer Überzeugung ist aber nach dem deutschen Bildungsrecht bereits die Mittlere Reife gegenüber allen Berufsabschlüssen in anerkannten Lehrberufen nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) zumindest gleichwertig. Damit erreicht man nämlich den sogenannten mittleren Bildungsabschluss, während man selbigen mit einem Berufsabschluss nur unter bestimmten Voraussetzungen erfüllt (Durchschnitts-note 3 in der Gesellenprüfung, mindestens fünf Jahre Unterricht in einer Fremdsprache).

Merkwürdig: Abitur wird mit Berufsausbildung gleichgesetzt

Bis zur Reform des Fahrlehrergesetzes 2018 war für die Ausbildung zum Fahrlehrer mindestens „ein Hauptschulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine gleichwertige Vorbildung“ erforderlich. Heute ist neben der abgeschlossenen Berufsausbildung, die in der Regel zwischen zwei bis drei Jahre dauert, kein Schulabschluss mehr erforderlich. Aber allein die Tatsache, dass das Abitur, der höchste deutsche Schulabschluss, nach mindestens 12 bzw. 13 Schuljahren, mit einer Berufsausbildung gleichgesetzt wird, dürfte zu Irritationen führen.

Einer der Hauptgründe für die behördliche Nichtanerkennung der Gleichwertigkeit der mittleren Reife liegt im Entwurf des Fahrlehrergesetzes. Hier wird vom Gesetzgeber ohne Begründung nur das Abitur als gleichwertig genannt. Durch die Formulierung „u.a.“ werden aber andere Schulabschlüsse nicht ausgeschlossen.

Absurde behördliche Sichtweise in Zeiten des Fahrlehrermangels: Realschule reicht nicht aus

In Hessen wurde im März 2018 einer Antragstellerin, die das Ziel verfolgte, Fahrlehrerin zu werden, die Erteilung einer Fahrlehrererlaubnis durch das Regierungspräsidium Darmstadt verweigert. Die junge Frau verließ die Schule mit einem Realab-schluss und erreichte somit einen mittleren Bildungsabschluss. Das reichte nach Ansicht der Behörde für den Beruf der Fahrlehrerin in diesem Fall nicht aus. Ihrer Klage gegen diesen Bescheid wurde vom Verwaltungsgericht Darmstadt 2021 (Az. 3 K 1871/18.DA) stattgegeben. Dieses sah die gleichwertige Vorbildung durch die mittlere Reife als erfüllt an. Allerdings obsiegte die Behörde in der Berufung 2023 völlig unverständlich vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel. Das VGH kam u.a. zu folgender Erkenntnis: „Ein wesentlicher Teil der Fahrlehrertätigkeit liege in der fahrpraktischen Ausbildung, weswegen eine zuvor erworbene Berufserfahrung in der Ausbildung erforderlich sei.“

VGH widerspricht sich selbst

Allerdings widerspricht sich der VGH hier selbst, wenn er einerseits auf Erfahrungen in der „Arbeitswelt“ verweist, andererseits aber das Abitur als gleichwertig anerkennt, das einen um zwei Jahre längeren Schulbesuch als die mittlere Reife voraussetzt und ebenfalls ohne Erfahrungen in der „Arbeitswelt“ einhergeht. Wenigstens wurde die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Leider kann es noch einige Jahre dauern, bis hier eine Entscheidung fallen wird.

Interessanter Aspekt zum Vergleich: Zahlreiche Gesetze, so z.B. § 17 Abs. 3 Beamtengesetz stellen die Höherwertigkeit der Realschule für die Zulassung zu verschiedenen Ausbildungen fest. Während man mit der mittleren Reife die Bildungsvoraussetzungen für eine Laufbahn im mittleren Dienst erfüllt, genügt eine abgeschlossene Berufsausbildung allein hierfür nicht.

Polizist ja, Fahrlehrer nein

So kann ein Realschüler beispielsweise problemlos Polizist werden, aber nicht Fahrlehrer. Umgekehrt kann ein gelernter Justizangestellter oder Kaufmann im Einzelhandel Fahrlehrer werden, nicht aber Polizist. Leider orientieren sich viele Behörden bei ihrer Argumentation an dem von ihnen gewünschten Ergebnis, statt, wie es wünschenswert wäre, am Gesetz.

Neu geschaffene Ausnahmeregelung wird leider meist ignoriert

Der Streit um die Gleichwertigkeit wäre allerdings völlig belanglos und das Problem relativ schnell zu lösen, wenn die Behörden zumindest die mit der Reform 2018 neu geschaffene Ausnahmeregelung des § 54 FahrlG korrekt oder teilweise überhaupt anwenden würden, wozu sie eigentlich verpflichtet sind. Aber genau das tun sehr viele Behörden in Deutschland nicht.

Dass der Fahrlehrerberuf Zugangsvoraussetzungen hat und diese auch eingehalten werden, ist grundsätzlich richtig. Es ist folglich nicht auf den ersten Blick feststellbar, welche Kriterien eine Ausnahme rechtfertigen könnten. Der Gesetzgeber hat jedoch eine Auslegungshilfe in der Gesetzesbegründung (Drucksache 18/10937) vorgegeben, in dem er festgestellt hat, dass das Bestehen eines Eignungstests ein Indiz für eine Ausnahmegenehmigung darstellt.

Bestandener Eignungstest ist das stärkste Indiz

Wenn man es genau betrachtet, ist ein solch bestandener Test eigentlich das stärkste Indiz, eine solche Ausnahme zu rechtfertigen. Andere Indizien, wie z.B. Schulbesuch ohne Abschluss, Hilfstätigkeiten, Einzelqualifikationen wie z.B. Heilpraktiker, MPU-Berater, Staplerschein etc. sind deutlich schwieriger zu bewerten, da ihre Beurteilung spezielle Fachkenntnisse voraussetzt, an welchen es in den zuständigen Behörden leider in aller Regel fehlt.

Einen solchen Eignungstest gibt es bereits und er wird auch von einigen wenigen Behörden angewendet. Dieser Test wurde von HR Diagnostics, einem renommierten Anbieter für Berufseignungstests, in Zusammenarbeit mit zahlreichen Vertretern aus der Fahrlehrerbranche entwickelt. Er erfüllt die Voraussetzungen nach DIN 33430 und somit die Standards der berufsbezogenen Eignungsdiagnostik. Der Berufseignungstest für Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer ist ein reiner Online-Test. Der Test muss ohne fremde Hilfe absolviert werden und dauert rund eine Stunde. Unter anderem werden Kriterien wie allgemeine Intelligenz, Gewissenhaftigkeit und soziale Kompetenz sowie Konzentrationsfähigkeit abgefragt.

Hoffnung für die Zukunft

Seit Februar 2024 gibt es einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel zu diesem Eignungstest. Nach Einschätzung des Gerichts handelt es sich um einen geeigneten Test, um die Eignung für den Beruf des Fahrlehrers zu ermitteln. Diese Einschätzung widerlegt den von den Behörden erhobenen Vorwurf mangelnder Nachvollziehbarkeit des Tests. Entscheidend sei, so das Gericht, dass transparent ist, welche berufs- und persönlichkeitsrelevanten Merkmale abgeprüft werden, dass der Test auf einem wissenschaftlich fundierten Testverfahren beruht und ein standardisiertes Testergebnis auswirft.

Der Beschluss lässt hoffen, dass es in Zukunft zu einer einheitlichen Anwendung der Eignungsprüfung für den Beruf des Fahrlehrers kommen wird. Damit würde vielen motivierten und qualifizierten Personen, die die Voraussetzungen des § 2 FahrlG nicht erfüllen, die Möglichkeit eröffnet, eine Fahrlehrerausbildung zu beginnen. Darüber hinaus hoffen wir, dass das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bis spätestens 2025 den Realschulabschluss als gleichwertige Vorbildung anerkennt.

Unternehmen setzen immer häufiger auf Eignungstests

Wir möchten an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass sich die ganze Diskussion nur um die Zugangsvoraussetzungen zum Beruf der Fahrlehrerin bzw. des Fahrlehrers dreht. Zur Feststellung der fachlichen und pädagogischen Eignung für den Fahrlehrerberuf gibt es per Definition fünf Prüfungen während der Ausbildung. Aber auch hier gilt: Ein Eignungstest vor Beginn der Ausbildung ist aussagekräftiger als die bisherigen Zugangsvoraussetzungen, wenn es um die Chancen geht, diese Prüfungen zu bestehen. Es ist kein Zufall, dass große Unternehmen bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter zunehmend auf Berufseignungstests setzen.

DVPI-Expertentipp

Solltest Du der Ansicht sein, dass Du die Voraussetzungen für den Fahrlehrerberuf nicht erfüllst, weil Du keine gleichwertige Vorbildung besitzt oder Chancen auf eine Ausnahmegenehmigung hast, lasse Dich nicht von der Behörde abwimmeln. Bestehe auf eine Ausnahmegenehmigung und biete an, einen Eignungstest zu absolvieren. Bei Fragen kannst Du Dich sehr gern an Dein regionales DVPI-Institut wenden. Politisches Ziel der Reform des Fahrlehrergesetzes 2018 war es schließlich, dem Fahrlehrermangel entgegenzuwirken.

Vorheriger Artikel

Alle wichtigen Adressen und Infos der 10 DVPI-Institute

Nächster Artikel

Infotag des DVPI Frankfurt: Alles zum Beruf des Fahrlehrers