9. Fahrlehrerkongress in Berlin: Die Branche der Fahrlehrer ist im Aufbruch

13.11.2023 • Automatisierte Fahrfunktionen, alternative Antriebsformen: Auto fahren wird immer komplexer – und damit auch der Fahrlehrer-Beruf. Über dessen Zukunft diskutierte die Branche vom 9. bis 11. November auf dem 9. Fahrlehrerkongress in Berlin.

Noch nie wurde über das Auto so viel gestritten wie heute. Dass es trotzdem das wichtigste Verkehrsmittel für die Menschen ist, zeigte sich auf dem 9. Fahrlehrerkongress 2023 in Berlin. Rund 2.000 Besucher kamen zu dem bundesweiten Branchentreff, dazu über 60 Aussteller mit ihren Messeständen – eine Rekordzahl. Ob Fachverlag für Lernmaterialien, App- und Simulatoren-Entwickler oder Hersteller von Fahrschulfahrzeugen wie Volkswagen – ein ganzer Wirtschaftszweig sorgt dafür, dass die Menschen in Deutschland ihren Führerschein machen können. Dazu gehören nicht zuletzt die rund 45.000 Fahrlehrer, denen auch künftig die Arbeit nicht ausgehen wird: „Die Stimmung in der Branche ist positiv“, betonte DVPI-Geschäftsführer Bernd Brenner.

Führerschein ist nach wie vor Grundvorausstzung für Mobilität

So ist die Zahl der ausgestellten Führerscheine in den letzten drei Jahren gestiegen. Als Statussymbol mag das eigene Auto für junge Leute vielleicht nicht mehr so wichtig sein: „Ein Führerschein bleibt dennoch die Grundvoraussetzung, um mobil zu sein, insbesondere im ländlichen Raum“, so Brenner. Das untermauert eine Studie des TÜV Süd: Danach ist der Führerschein die Bedingung für Teilhabe am sozialen Leben: 88 Prozent der Befragten gaben an, dass der Autoführerschein für sie wichtig oder sehr wichtig ist, um die täglichen Dinge des Lebens zu bewältigen.

Volle Hütte: Das Interesse am Fahrlehrerkongress 2023 war enorm, rund 2.000 Besucher kamen nach Berlin

Zunehmende Digitalisierung des Fahrlehrerberufs

Doch auch wenn der Beruf des Fahrlehrers einer mit Zukunft ist: Die Branche steht vor großen Herausforderungen. Dazu gehört die zunehmende Digitalisierung – nicht nur beim Lernen, sondern auch beim Lehren. Kraftfahrzeuge werden technisch immer komplexer. Die Cockpits sind heute vollgestopft mit modernen Komfort- und Assistenzsystemen.

Ob Tempomat, Spurhalte- oder Totwinkelassistent: Die Funktionen wollen und müssen von den Fahrlehrern erklärt werden. Die Anforderungen seien deutlich gestiegen, sagte Hartmut Höppner, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium (BMDV). Die Bedienungsanleitung eines NSU Wankel Spider sei vor 60 Jahren 62 Seiten stark gewesen. „Bei einem Tesla Model 3 sind es heute 300 Seiten.“ Und je komplexer und vernetzter der Straßenverkehr werde, desto anspruchsvoller werde auch der Beruf des Fahrlehrers, so Höppner. Deshalb sei es „höchste Zeit für ein Update“.

Präsenzunterricht weiter wichtig

Doch auch wenn der Beruf des Fahrlehrers einer mit Zukunft ist: Die Branche steht vor großen Herausforderungen. Dazu gehört die So will das BMDV das Fahrlehrerrecht und die Fahrschulausbildung reformieren. Zu den Eckpunkten gehört auch die Integration von sogenanntem E-Learning, wenngleich der Präsenzunterricht die Theorievermittlung in den Fahrschulen weiter dominieren soll.

Doch E-Learning ist sehr umstritten. Welche Risiken bei der Wissensvermittlung und damit letztlich für die Verkehrssicherheit drohen, erklärte Professor Manfred Spitzer von der Universität Ulm in seinem Vortrag beim Fahrlehrerkongress. Der renommierte Neurowissenschaftler beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Digitalisierung in der Gesellschaft und warnt eindringlich vor ihren Folgen.

Autofahren ist ein soziales Verhalten

So zeigten unzählige wissenschaftliche Studien aus dem Bildungsbereich, dass das Lernen mit digitalen Medien zu weniger Aufmerksamkeit, weniger Lernerfolg und weniger Wissen führe. Autofahren im Straßenverkehr aber sei ein soziales Verhalten – und dieses wird Spitzer zufolge am besten im sozialen Kontext gelernt: in einer kleinen Lerngruppe. Präsenzunterricht sei somit durch nichts zu ersetzen: „Empirische Befunde, die den Einsatz digitaler Medien beim Theorieunterricht in Fahrschulen begründen könnten, liegen nicht vor.“

„Das Schaltgetriebe stirbt aus“, E-Autos sind gefragt

Und die Praxisstunden auf der Straße? Nicht alles hat sich verkompliziert. Der technische Fortschritt bringt auch Erleichterungen. Anfahren am Berg etwa war stets der Angstgegner für Fahrschüler. Nun haben moderne Autos Anfahrassistenten – oder es muss gar nicht geschaltet und gekuppelt werden. Immer mehr Pkw fahren mit Automatik, Elektroautos haben meist nur einen Gang. „Das Schaltgetriebe stirbt aus“, sagte DVPI-Geschäftsführer Jürgen Schielein, der für seine Fahrschule in Nürnberg schon vier Stromer angeschafft hat. „Fahrschüler fragen vermehrt danach, ob sie ihren Führerschein auf einem E-Auto machen können“, so Schielein.

DVPI-Geschäftsführer Jürgen Schielein (links) und Bernd Brenner

Verkehr ist unübersichtlicher geworden

Alternative Antriebsformen, automatisiertes Fahren: Wie diese die Fahrausbildung der Zukunft prägen, war Gegenstand mancher Debatten auf dem 9. Fahrlehrerkongress. Inzwischen können Autos sogar selbst einparken. Dass Fahrschüler dieses Einparken nicht mehr eigenhändig üben und beherrschen müssen, ist gleichwohl unwahrscheinlich.

An andere Funktionen wie Totwinkel-Warner oder Verkehrszeichenerkennung haben sich viele dagegen gewöhnt. „Wir Fahrlehrer sind ja ganz froh, dass einige Routinen wegfallen“, sagte DVPI-Geschäftsführer Bernd Brenner. „So können wir uns mit den Fahrschülern auf die wichtigen Dinge im Straßenverkehr konzentrieren.“ Zum Beispiel auf gefährliche Kreuzungen. Generell ist der Verkehr unübersichtlicher geworden, die Zahl der Autos und Lkw nimmt eher zu als ab.

Große Verantwortung, komplexer Arbeitsalltag

Die Verantwortung für Fahrlehrer ist also groß, der Arbeitsalltag komplex. Umso merkwürdiger ist: In der Bevölkerung habe der Beruf bislang zu wenig Sichtbarkeit erreicht, konstatierte DVPI-Geschäftsführerin Ruth Weißmann. Die Recruiting-Expertin kam im Mai neu an Bord, um die Leitung der Education Holding GmbH, dem die DVPI angehören, zu übernehmen. Das Ziel: Das Berufsbild des Fahrlehrers bekannter machen und zeigen, dass es sich um eine moderne Tätigkeit mit attraktiven Aufstiegschancen handelt.

DVPI-Geschäftsführerin Ruth Weißmann

Bundesweite Kampagne zur Gewinnung von Nachwuchskräften

Derzeit liegt der Altersdurchschnitt der Fahrlehrer bei 55 Jahren. 40 Prozent sind über 60 Jahre alt. Um Nachwuchskräfte zu gewinnen, zielt die Education Group auf die breite Öffentlichkeit. Dafür wurde eine bundesweite Kampagne gestartet, den Anfang machte der DVPI-Standort Mannheim. „Vo nix kummd nix!“ und „Alle mol uffbasse!“: Mit kessen Sprüchen im Landesdialekt sollen Interessenten angesprochen werden – ob Schüler und Studenten, Passanten auf der Straße oder Mitarbeiter von Arbeitsagenturen.

Erste Erfolge sind sichtbar. Die Zahl der Fahrlehrer stieg seit der Reform des Fahrlehrerrechts 2018. Der Anteil der Frauen erhöhte sich von acht auf fast elf Prozent. Doch es gibt viel Luft nach oben. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist daher ein wichtiger Bestandteil der Recruiting-Kampagne, damit noch mehr junge Leute Fahrlehrer werden möchten.

Führerscheinerwerb prägend für den Werdegang

Denn mögen die beliebtesten Ausbildungsberufe Kfz-Mechatroniker, Fachinformatiker, Industriekaufleute heißen: Der Beruf das Fahrlehrers müsse sich keinesfalls verstecken, im Gegenteil, unterstrich Ruth Weißmann am DVPI-Stand: Nichts sei für junge Leute so prägend für den persönlichen Werdegang wie der Führerschein-Erwerb. Deswegen ist die Fahrlehrerausbildung auch für die Gesellschaft wichtig. Denn „Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis“ – und die Fahrlehrer ermöglichen vielen, dies zu erfüllen.

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