Ausbildungsfahrschule: Wo Fahrlehrer ausgebildet werden

12.12.2023 • So einfach ist das: Ohne Ausbildungsfahrschule keine Fahrlehrer, ohne Fahlehrer kein Fahrunterricht, ohne Unterricht kein Führerschein. Und dennoch hat es die Branche aktuell nicht leicht. Es fehlt an Nachwuchs in diesem schönen Job. Bernd Brenner und Markus Dill vom DVPI Frankfurt erklären Euch in einem Interview, was es mit dem Beruf des Ausbildungsfahrlehrers auf sich hat und was momentan die größten Herausforderungen sind.

In Deutschland herrscht akuter Fahrlehrermangel. Wie sehen Sie die Entwicklung in der Fahrschulbranche?

Bernd Brenner: Der Fachkräftemangel in Deutschland wird sich weiter verschärfen. Prognosen gehen davon aus, dass uns in den nächsten Jahren rund 6 bis 7 Millionen Menschen fehlen werden, die solche Tätigkeiten ausübern können. Dass der Fahrschulbranche derzeit rund 12.000 Fahrlehrer fehlen, erscheint hier zunächst gering. Allerdings gibt es es aktuell auch nur ca. 32.000 aktive Fahrlehrer. Das bedeutet, dass mehr als ein Viertel der Stellen nicht besetzt ist! Aufgrund der Altersstruktur in der Fahrschulbranche – das Durchschnittsalter liegt derzeit bei 55 Jahren – wird sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren noch deutlich verschärfen. Wir gehen davon aus, dass bis 2030 etwa die Hälfte der aktiven Fahrlehrer in den Ruhestand gehen wird. Dem gegenüber gibt es aktuell leider zu wenig Fahrlehrernachwuchs. Es überrascht daher nicht, dass insbesondere die Fahrschulinhaber im Fahrlehrermangel die größte Herausforderung für ihre Betriebe und damit für unsere Branche sehen. Dabei ist der Beruf äußerst attraktiv. Neben der flexiblen Arbeitszeit ist die gute Bezahlung ein großer Pluspunkt. Wir glauben außerdem, dass dieser Beruf auch für Frauen besonders interessant sein kann – unsere Fahrlehrerinnen bestätigen das immer wieder. Und vergessen sollte man nicht, dass der Einstieg in den Beruf des Fahrlehrers durch viele Fördermöglichkeiten unterstützt wird. Wer gern mit Menschen arbeitet, ist hier richtig!

Was sind die wirtschaftlichen Auswirkungen des Fahrlehrermangels auf die einzelnen Fahrschulen?

Markus Dill: Die Auswirkungen sind inzwischen schon deutlich spürbar. Der Fahrlehrermangel spiegelt sich in der aktuellen Diskussionüber die Kosten des Führerscheinerwerbs wider. Diese stehen auch in einem direkten Zusammenhang mit den gestiegenen Personalkosten. Die Gehälter haben inzwischen ein dem durchaus anspruchsvollen Beruf angemessenes Niveau erreicht und liegen oftmals sogar über dem Verdienst eines Grundschullehrers Dies war in der Vergangenheit leider nicht immer der Fall, was im Umkehrschluss auch zum Fahrlehrermangel beigetragen hat. Da die Fahrschulen neben ihrem Bildungsauftrag auch wirtschaftlich überleben müssen, werden die Preise für den Führerschein wohl weiter steigen.

Welche Möglichkeiten gibt es für Fahrschulen, diesem Trend entgegenzuwirken?

Markus Dill: Leider stehen sich hier zwei Interessen gegenüber. Einerseits verdienen die angestellten Fahrlehrer einen leistungsgerechten Lohn für ihre Arbeit. Andererseits muss der Führerschein auch bezahlbar bleiben. Zwischen diesen beiden Interessen stehen die Fahrschulinhaber. Diese müssen auf der einen Seite die Gehälter ihrer angestellten Fahrlehrer bezahlen. Auf der anderen Seite verlieren sie aufgrund der Preiserhöhung potentielle Kunden, die sich den Führerschein schlichtweg nicht mehr leisten können. Um diesem Trend entgegenzuwirken, gibt es eigentlich nur eine Strategie. Andere Branchen, die ebenfalls unter Fachkräftemangel leiden, machen es vor: Die Unternehmen müssen ihren Nachwuchs selbst ausbilden. Aus diesem Grund wird es für die Fahrschulen in Zukunft ein Wettbewerbsvorteil sein, wenn sie eine Ausbildungsfahrschule sind.

Markus Dill, Leiter Marketing &
Vertrieb DVPI Frankfurt

Was ist der Unterschied zwischen einer Fahrschule und einer Ausbildungsfahrschule?

Bernd Brenner: Eine Fahrschule bildet Fahrschüler aus, eine Ausbildungsfahrschule bildet etwa in Kooperation mit den DVPI Fahrlehreranwärter in der 2. Phase der Ausbildung aus. Grundsätzlich wäre die etwas sperrige Bezeichnung "Ausbildungsfahrschule für Fahrlehreranwärterinnen und Fahrlehreranwärter" zutreffend.

Welche Rolle spielen Ausbildungsfahrschulen bei der Ausbildung zum Fahrlehrer

Bernd Brenner: Mit der Reform des Fahrlehrergesetzes 1999 wurde durch die Einführung einer zweiten Ausbildungsphase in einer Ausbildungsfahrschule ein Praxisteil in die Fahrlehrerausbildung integriert. Prinzipiell ist dies ein positiver Aspekt, da die neuen Fahrlehrer nach den Prüfungen nicht „ins kalte Wasser“ geworfen wurden, sondern wie Lehrer an Schulen eine Art Referendariat (Praktikum) absolvieren und zwei Lehrproben vor „echten“ Schülern ablegen müssen. Dies ist ein deutlicher Fortschritt für die Qualität der Fahrschülerausbildung. Bis 2018 mussten Fahrlehreranwärter jedoch erst nach drei bestandenen Prüfungen (fahrpraktische Prüfung und Fachkundeprüfung – schriftlich und mündlich) in die Ausbildungsfahrschule gehen. Dies wurde 2018 geändert. Mittlerweile müssen die Fahrlehreranwärter bereits im Einführungsmonat für zwei Wochen und im 4. Monat nochmals für eine Woche in die Ausbildungsfahrschule. Daher benötigt jeder Fahrlehreranwärter bereits zu Beginn seiner Ausbildung eine Ausbildungsfahrschule.

Wie wird eine Fahrschule als Ausbildungsfahrschule anerkannt?

Bernd Brenner: Ausbildungsfahrlehrer kann grundsätzlich jeder Fahrlehrer werden, der seit mindestens drei Jahren im Besitz der Fahrlehrerlaubnisklasse BE ist und an einem fünftägigen Einführungsseminar für Ausbildungsfahrlehrer teilgenommen hat. Damit kann bei der zuständigen Behörde die „Ausbildungsfahrlehrerlaubnis“ beantragt werden. Das Einführungsseminar darf dann jedoch nicht länger als zwei Jahre zurückliegen. Damit eine Fahrschule als Ausbildungsfahrschule anerkannt werden kann, muss der Fahrschulinhaber oder der verantwortliche Leiter seit mindestens zwei Jahren die Ausbildungsfahrlehrerlaubnis besitzen. Solltet Ihr die Ausbildungsfahrerlaubnis erst frisch erworben haben, reicht es auch aus, wenn Ihr seit zwei Jahren im Besitz der Fahrschulerlaubnis seid. Wenn Ihr darüber nachdenkt, eine Fahrschule zu eröffnen oder zu übernehmen, empfehlen wir Euch, im Vorfeld rechtzeitig das Einweisungsseminar für Ausbildungsfahrlehrer zu besuchen.

Bernd Brenner, Geschäftsführer
DVPI Frankfurt & Würzburg

Wie findet ein potenzieller Fahrlehreranwärter eine Fahrschule, die ihn ausbildet?

Markus Dill: Am einfachsten ist es, sich an einen Fahrlehrer in einer Fahrschule zu wenden. Eine weitere Möglichkeit ist die Suche nach einer Ausbildungsfahrschule über eine Suchmaschine im Internet. Allerdings haben nur sehr wenige Fahrschulen auf ihrer Website stehen, dass Sie eine Ausbildungsfahrschule sind. Das macht es dann kompliziert, weil Sie von der Suchmaschine nicht zu dem Suchbergriff „Ausbildungsfahrschule“ gefunden werden. Ein Indiz könnte auf der Website unter „Unser Team“ zu finden sein, wenn der Fahrschulinhaber oder der verantwortliche Leiter sich in seinem Profil „Ausbildungsfahrlehrer“ nennt.

Wie können Fahrschulen ihr Recruiting verbessern?

Markus Dill: Obwohl fast zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland einen Führerschein besitzen und somit eine Fahrschule besucht haben, wird der Fahrlehrerberuf in unserer Gesellschaft als Beruf sehr wenig wahrgenommen. Hier liegt ein großes Potential für unsere Branche, das nicht genutzt wird. Derzeit erfolgt die Rekrutierung der Fahrschulen hauptsächlich durch direkte Ansprache. Unsere statistischen Auswertungen zeigen, dass 80 bis 90 Prozent unserer Fahrlehreranwärter von einem Fahrlehrer im Vorfeld angesprochen wurden. Nur sehr wenige sind selbst auf die Idee gekommen, Fahrlehrer zu werden. Über die Fahrschulen könnte also eine breite Masse erreicht werden. Auch der 17-jährige Fahrschüler kann für die Fahrschulen interessant sein. Er kann zwar selbst erst in einigen Jahren Fahrlehrer werden, hat aber möglicherweise Freunde und Familie, die gerade auf der Suche nach einem neuen Job sind. Hier kann auch durch indirekte Ansprache in Form von Plakaten, Flyern und Aufstellern auf den Fahrlehrerberuf aufmerksam gemacht werden. Auch über die Social-Media-Kanäle kann eine große Zahl potenzieller Bewerber erreicht werden. Ein absolutes „Muss“ bei der Personalrekrutierung ist eine Karriere-Website. Auf die ULR diese Seite (z.B. fahrschule-mustermann.de/karriere) müssen alle Rekrutierungsaktivitäten verlinkt werden. Leider haben wir festgestellt, dass 95 Prozent der Fahrschulen keine Karriereseite im eigenen Internetauftritt haben. Da wollen wir unterstützen!

Was verteht man unter einer Karriere-Webseite?

Markus Dill: Karriereseiten sind Seiten innerhalb der Unternehmens-Website, auf denen sich die Fahrschule potenziellen Bewerbern als attraktiver Arbeitgeber präsentiert. Hier laufen nicht nur alle Rekrutierungsaktivitäten zusammen, sondern die Bewerber entscheiden auch, ob die entsprechende Fahrschule als Arbeitgeber in seine engere Wahl kommt. Die Karriereseite ist im Recruiting neben Jobbörsen und Mitarbeiterempfehlung einer der Top-3-Recruiting-Kanäle, unabhängig von der Größe eines Unternehmens. Auf keinen Fall ist eine Karriere-Website eine Seite, auf der nur Stellenangebote veröffentlicht werden. Auf diesen Seiten sollte auch immer Werbung für diesen tollen Beruf gemacht werden. Wir können es nicht oft genug sagen: Werde Fahrleherin, werde Fahrlehrer! Es lohnt sich!

Was muss eine Fahrschule beachten, wenn sie eine solche Karriere-Webseite einrichtet?

Markus Dill: Die Karriereseite wird in die bestehende Website der Fahrschule integriert und ist über die Hauptnavigation unter „Jobs & Karriere“ erreichbar. Hier wird die Fahrschule potenziellen Bewerbern als Arbeitgeber in Text, Bild und möglichst auch per Video vorgestellt. Dies ist insbesondere für die Anwerbung von Fahrlehreranwärtern wichtig, da diese vor Beginn der Fahrlehrerausbildung möglichst viele Informationen suchen. Daher sollten weitere Unterseiten eingerichtet werden, auf denen die drei wesentlichen Zielgruppen ausgebildete Fahrlehrer, Berufsinteressenten und Bürokräfte, spezifisch informiert werden können. Außerdem können natürlich auch konkrete Stellenangebote platziert werden. Sehr wichtig ist auch die Suchmaschinenoptimierung: Auf der Unterseite „Fahrlehrer werden“ sollte unbedingt in der H1- und H2-Überschrift der Begriff „Ausbildungsfahrschule“ stehen. Das hat einen großen Vorteil: Eine Suchmaschine wie Google findet die Fahrschule und zeigt sie auch einem Bewerber an.

Auf welche Art und Weise wollen die Deutschen Verkehrpädagogischen Institute (DVPI) die Fahrschulen in Zukunft unterstützen?

Bernd Brenner: Neben unserer Kernkompetenz, der Aus- und Weiterbildung, werden sich die DVPI für eine sichtbare, positive Wahrnehmung unseres Berufsstandes einsetzen. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Fahrschulen bei der Gewinnung des Fahrlehrernachwuchses zu unterstützen. Mit vereinten Kräften können wir dem Fahrlehrermangel, der unsere Branche belastet, entgegenwirken. Unter anderem sind neben gezielten Imagekampagnen, die den Fahrlehrerberuf einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen sollen, auch Recruiting-Pakete für Fahrschulen und Recruiting-Schulungen vorgesehen. Darüber hinaus haben sich die DVPI in den letzten zwei Jahren komplett neu aufgestellt. Aus den beiden Standorten Frankfurt und Hamburg sind mittlerweile 10 Standorte geworden. Damit verkürzen wir auch die Wege zwischen Bewerbern und Ausbildungsstätten.

Welche Rolle spielt die Politik bei der Bekämpfung des Fahrlehrermangels?

Bernd Brenner: Ein wichtiger Punkt ist sicherlich, dass die Politik endlich für Klarheit bei den Zugangsvoraussetzungen sorgen muss. Die Formulierung „gleichwertige Vorbildung“ im Fahrlehrergesetz sorgt für Unklarheiten. Dies führt dazu, dass viele Bewerber, die das Zeug zum Fahrlehrer hätten, von den Behörden abgelehnt werden. Die bundesweite Anerkennung der Fahrlehrer-Berufseignungstests von MOVING sollte endlich erfolgen. Desweitern muss die Politik auch bei den Fördergeldern nachlegen. Bei vielen Agenturen für Arbeit und Jobcentern besteht immer noch die Meinung, es gäbe keinen Bedarf an Fahrlehrern. Das ist schlichtweg falsch. Eines sei an dieser Stelle noch ergänzend erwähnt. Nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetz (BKrFQG) sind Fahrlehrer der Klassen CE und/oder DE zusätzlich berechtigt, die beschleunigte Grundqualifikation für Berufskraftfahrer sowie die gesetzliche Weiterbildung BKF durchzuführen. Um dem Mangel an Lkw- und Busfahrern, der die Speditionsbranche und auch den ÖPNV hart trifft, entgegenzuwirken, werden daher in Zukunft mehr Fahrlehrer benötigt. Der Fahrlehrerberuf ist damit ein Schlüsselberuf für die gesamte Mobilitätsbranche.

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