Führerschein günstiger durch Laienausbildung? Das Österreich-Modell auf dem Prüfstand

25.09.2025 • Die Debatte um hohe Führerscheinkosten in Deutschland hat den Blick nach Österreich gelenkt. Dort existieren seit vielen Jahren Ausbildungsmodelle, die Laienausbildung und Fahrschule kombinieren. Besonders das L17-Modell gilt als bekanntestes Beispiel. Doch wie funktioniert dieses System? Und wo liegen die Unterschiede zu Deutschland?

Historischer Hintergrund

Österreich hat seine Fahrausbildung in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren grundlegend reformiert. Hintergrund war die damals hohe Unfallquote junger Fahrerinnen und Fahrer. Bis dahin gab es zwei parallele Wege: zum einen die klassische Fahrschulausbildung, zum anderen aber auch die Möglichkeit einer weitgehend unkontrollierten Laienausbildung im privaten Umfeld. Diese Laienausbildung führte zwar zu vielen gefahrenen Kilometern, jedoch auch zu erheblichen Qualitätsverlusten, da pädagogische und sicherheitsrelevante Aspekte vernachlässigt wurden. Mit der Einführung des L17-Modells („Vorgezogene Lenkberechtigung für die Klasse B) wurde dieses System bewusst abgelöst und in geordnete Bahnen gelenkt. Ziel war es, weiterhin umfangreiche Fahrpraxis unter Aufsicht von Begleitpersonen zu ermöglichen, gleichzeitig aber durch verpflichtende Fahrschul- und Überprüfungsfahrten sowie die Einbindung von Fahrsicherheitstraining und verkehrspsychologischen Gesprächen eine pädagogisch fundierte und kontrollierte Ausbildung sicherzustellen.

Drei Ausbildungswege in Österreich

Die österreichische Führerscheinausbildung kennt drei unterschiedliche Modelle, die sich im Umfang und in der Verantwortung zwischen Fahrschule und Laien unterscheiden.

1. Vollausbildung (klassisch):

  • Einstieg ab 17,5 Jahren, Prüfung ab 18 Jahren
  • Gesetzlich vorgeschrieben sind mindestens 18 Fahrstunden à 50 Minuten in der Fahrschule
  • keine Privatfahrten
  • Die Prüfung kann im Fahrschul- oder Privatfahrzeug stattfinden, neben dem Prüfer ist eine Fahrlehrerin oder ein Fahrlehrer anwesend

2. L17-Modell:

  • Einstieg ab 15,5 Jahren, Prüfung ab 17 Jahren/li>
  • Gesetzlich vorgeschrieben sind mindestens 20 Fahrstunden (à 50 Minuten) in der Fahrschule/li>
  • Davon entfallen rund 12 Fahrstunden auf die Grundausbildung (Vor- und Grundschulung), bevor die Ausbildungsfahrten mit Begleitperson beginnen/li>
  • Während der begleitenden Fahrpraxis müssen mindestens 3.000 Kilometer im Privat-Pkw mit eingetragenen Begleitpersonen absolviert werden. Die Fahrschule begleitet diesen Prozess mit Beobachtungsfahrten (à 50 Minuten) nach 1.000, 2.000 und 3.000 Kilometern/li>
  • Nach den Privatfahrten folgt eine Prüfungsvorbereitung. Die Prüfung kann im Fahrschul- oder im Privatfahrzeug stattfinden, neben dem Prüfer ist ein Fahrlehrer oder eine Begleitperson anwesend/li>

3. Dualmodell:

  • Einstieg ab 17,5 Jahren, Prüfung ab 18 Jahren
  • Gesetzlich vorgeschrieben sind mindestens 12 Fahrstunden (à 50 Minuten) in der Fahrschule
  • Die Ausbildung beginnt mit der Grundausbildung von sechs Fahrstunden (à 50 Minuten) in der Fahrschule, in der sechsten Stunde müssen die Begleitpersonen teilnehmen
  • Anschließend mindestens 1.000 Kilometer mit Begleitpersonen, dokumentiert im Fahrtenbuch
  • Nach 1.000 Kilometern folgt eine Beobachtungsfahrt (à 50 Minuten) im Privatfahrzeug, bei der der Fahrlehrer das Fahrverhalten beurteilt, aber nicht eingreifen kann
  • Danach fünf Perfektionsstunden (à 50 Minuten) zur Prüfungsvorbereitung in der Fahrschule
  • Die Prüfung kann im Fahrschul- oder im Privatfahrzeug stattfinden, neben dem Prüfer ist ein Fahrlehrer oder eine Begleitperson anwesend

Voraussetzungen für Begleitpersonen

Zur Laienausbildung gibt es für die Begleitpersonen klare gesetzliche Regeln.

  • Mindestalter 25 Jahre, seit mindestens sieben Jahren im Besitz der Klasse B
  • Keine schweren Verkehrsverstöße in den letzten drei Jahren
  • Maximal zwei Begleitpersonen pro Fahrschüler erlaubt
  • In der Regel handelt es sich um Eltern oder enge Angehörige. Ein haushaltsnahes Verhältnis wird verlangt
  • Vor Beginn ist eine Pflicht-Einweisung in der Fahrschule vorgeschrieben, um die pädagogische Rolle zu klären

Mehrphasenausbildung

Ein Kernstück des österreichischen Modells ist die zweite Ausbildungsphase nach der bestandenen Fahrprüfung. Diese zielt darauf ab, Fahranfänger weiter zu begleiten und ihre Fahrkompetenz zu festigen. Sie gliedert sich in drei aufeinander abgestimmte Elemente:

  • Perfektionsfahrten – Vollausbildung und Dualmodell:
    • Zwei Perfektionsfahrten (je zwei Fahrstunden à 50 Minuten) mit Fahrlehrer, 2 - 4 und 6 - 12 Monate nach bestandener fahrpraktischer Prüfung
    • L17-Modell: Eine Perfektionsfahrt (zwei Fahrstunden à 50 Minuten) mit Fahrlehrer, neun Monate nach bestandener fahrpraktischer Prüfung

  • Fahrsicherheitstraining – alle Modelle:
    • Sechs Lektionen à 50 Minuten auf Übungsplätzen (z.B. Bremsen, Ausweichen, Kurvenfahren), 6 - 12 Monate nach bestandener fahrpraktischer Prüfung

  • Verkehrspsychologisches Gruppengespräch – alle Modelle:
    • Zwei Lektionen à 50 Minuten, Reflexion der eigenen Fahrweise, Themen wie Risiko, Geschwindigkeit, Alkohol, 3 - 9 Monate nach bestandener fahrpraktischer Prüfung

Besonderheiten des österreichischen Systems

Im Vergleich zu Deutschland weist Österreich einige grundlegende Unterschiede auf, die erklären, warum das System nicht einfach übertragbar ist.

  • Zugang zum Fahrschulmarkt:
    • Wer eine Fahrschule eröffnen will, benötigt ein abgeschlossenes Ingenieurstudium
    • Dadurch ist die Hürde deutlich höher als in Deutschland, wo das Fahrlehrergesetz greift
    • Zusätzlich schreibt die österreichische Gewerbeordnung vor, dass Fahrschulinhaber die österreichische Staatsbürgerschaft oder die Staatsangehörigkeit eines EU-/EWR-Landes besitzen müssen

  • Rolle der Fahrlehrer:
    • Unterschieden wird zwischen Fahrlehrern (praktische Ausbildung) und Fahrschullehrern (dürfen zusätzlich Theorie unterrichten)
    • Dieses Karrieremodell existiert in Deutschland nicht

  • Prüfungssystem:
    • Prüfungen werden von staatlich bestellten, selbstständigen Prüfern durchgeführt
    • Keine Konzentration auf wenige Organisationen wie TÜV oder DEKRA
    • Dezentrales System mit mehr Wettbewerb
    • Qualifikationsanforderungen an Prüfer sind weniger streng geregelt als in Deutschland: kein verpflichtendes Ingenieurstudium, sondern verwaltungsrechtliche Voraussetzungen und spezielle Fortbildungen
    • Praktische Prüfung von 40 Minuten, davon 25 Minuten im freien Straßenverkehr (in Deutschland 55 Minuten)

Fazit

Das österreichische Modell wurde als Vorschlag präsentiert, wie sich die Führerscheinausbildung zukünftig kostengünstiger durchführen lässt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass es sich nicht um ein einfaches Sparmodell handelt, sondern um eine Kombination aus Fahrschule und privatem Fahrtraining sowie klaren institutionellen und strukturellen Rahmenbedingungen. Ergänzt wird dies durch eine verpflichtende zweite Ausbildungsphase nach der Prüfung.

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