Fahrlehrer werden: Darum ist dieser Beruf perfekt für Frauen.

10.01.2025 • Die Fahrlehrerbranche sei zu alt und zu männlich. Diesen Vorwurf hört man häufig. Damit soll jetzt Schluss sein. Drei Fahrlehrerinnen erzählen im Interview, warum der Beruf für Frauen optimal ist und wie man mehr Frauen für diesen Job begeistern kann.

Vor Ihrer Ausbildung zur Fahrlehrerin übte Elif Küpeli von der Fahrschule Ruck Zuck, die zweifache Mutter aus Oberursel im Taunus, mehrere Berufe aus. Sie machte eine Ausbildung zur Einzelhandelskaufrau, hatte ein eigenes Taxiunternehmen und hatte einen Job in der Versicherungsbranche. Mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten und ihnen ihr Wissen und Ihre Erfahrungen weitezugeben, bereitet ihr Freude.
Die studierte Sozialpädagogin Andrea Tacht von der Fahrschule Hegemann ist seit 1998 Fahrlehrerin der Klassen BE und A, war von 2002 bis 2021 mit zwei Fahrschulen selbstständige Fahrlehrerin. Aktuell ist sie festangestellte Dozentin beim DVPI in Frankfurt. Sie unterrichtet Pädagogik, bildet Seminarleiterinnen aus und prüft angehende Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer in schriftlichen und mündlichen Prüfungen sowie in den Lehrproben.
Jeannine Przibilla-Welz von der Fahrschule JP Perfect ist seit 2016 Fahrlehrerin. Nach ihrem Abitur begann sie ein BWL-Studium, das sie sich unter anderem mit Reitunterricht finanzierte. Dort arbeitete sie bereits viel mit Menschen und stellte fest, dass ihr das deutlich mehr liegt als ein klassischer Bürojob. Daher beendete sie ihr Studium vorzeitig und begann eine Ausbildung zur Fahrlehrerin. Seit 2022 ist sie selbstständig.


Warum haben Sie sich dazu entschieden, Fahrlehrerin zu werden?

Elif Küpeli: Ich dachte zunächst immer, ich habe nicht die nötige Vorbildung, weil ich kein Abitur habe. Den Impuls, Fahrlehrerin zu werden, gab mir mein alter Fahrlehrer, der ein guter Freund meines Mannes ist. Er klärte mich darüber auf, dass meine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau ausreicht, um in diesen Job zu gehen. Und da ich gerade in Elternzeit war, informierte ich mich bei den DVPI und probierte es aus. Und heute bin ich mächtig stolz darauf, dass ich diesen Schritt gegangen bin.

Andrea Tacht: Ich habe mich damals in alle Richtung umgeschaut, wollte mich in irgendeiner Branche selbstständig machen. Eine Berufung hatte ich nicht. Und da ich sehr gut Auto und Motorrad fahren kann und Menschen gern Dinge erkläre, lag es für mich auf der Hand: Ich werde Fahrlehrerin. Das war eine sehr rationale Entscheidung. Es gab keine familiäre Prägung, es war kein Traumberuf.

Jeannine Przibilla-Welz: Ich bin bei einem Bekannten mitgefahren, der Fahrlehrer ist. Ich fand den Beruf auf Anhieb spannend, habe schnell gemerkt, dass ich mir diesen Job super flexibel gestalten kann, sodass ich Beruf, Familie und Hobbys gut unter einen Hut bekomme. Zunächst bin ich allerdings vor den Kosten zurückgeschreckt. Doch dann habe ich mich bei den DVPI über mögliche Finanzierungsmodelle informiert und meine Ausbildung über das „Meister BAföG“ abgewickelt.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach Frauen besonders für den Beruf des Fahrlehrers aus?

Jeannine Przibilla-Welz: Frauen sind in diesem Beruf sehr gut aufgehoben, weil wir sehr empathisch sind und uns besonders gut in die Lage der Fahrschülerinnen und Fahrschüler hineinversetzen können. Außerdem sind wir meist sehr besonnen und geduldig und poltern nicht gleich drauf los, wenn mal etwas nicht klappt. Auch unter organisatorischen Gesichtspunkten sind Frauen top.

Andrea Tacht: Frauen sind immer noch mehr für den emotionalen als für den sachlichen Part zuständig. Und Auto fahren ist keine rein technische Geschichte. Auch das Lernen ist keine nur technische Sache. Zu verstehen, wie ein Mensch tickt, ist in meinem Beruf wichtiger, als zu verstehen, wie ein Motor funktioniert (obgleich man Letzteres natürlich in der Ausbildung zum Fahrlehrer auch vermittelt bekommt).

Elif Küpeli: Wir Frauen sind definitiv die besseren Erzieher. Wir haben mehr Geduld und stärkere Nerven. Außerdem denke ich, wir Frauen sind aufnahmefähiger, kritikfähiger und lernfähiger. Das sind in meinem Beruf sehr wichtige Attribute.

Wieso ist dieser Beruf für Frauen besonders interessant?

Jeannine Przibilla-Welz: Für mich spielt die große Flexibilität in der Arbeitsgestaltung eine wichtige Rolle. Wenn zum Beispiel ein wichtiger privater Termin ansteht, muss ich mir nicht direkt Urlaub nehmen, sondern kann meinen Wochenplan individuell so gestalten, dass es passt. Ich kann entscheiden, wann ich arbeiten möchte. Keiner sagt mir, wann ich was tun muss.

Wie wichtig war für Sie die Möglichkeit einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung?

Elif Küpeli: Das war das wichtigste Kriterium für mich, damit hat man mich auch in diesen Job gelockt. Ich muss nämlich neben meinem Job als Mama zu Hause weiter funktionieren und für meine Kinder da sein. Ich kann meine Tage immer selbst flexibel planen. So kann ich mich prima um die Familie kümmern und gleichzeitig meine Karriere weiter vorantreiben, um meine beruflichen Ziele zu erreichen.

Wie sieht Ihr idealer Arbeitstag aus?

Elif Küpeli: Ich kann mich morgens um meine Kinder kümmern und dann ganz entspannt zur Arbeit fahren. Ich lege mir meine Zeiten so, dass ich meine Kinder gut betreuen kann. Ganz ohne meinen Partner geht es allerdings nicht. Zum Beispiel, wenn ich Nachtfahrten habe.

Wie haben Sie sich als Frau zu Beginn Ihrer Fahrlehrerkarriere in dieser männerdominierten Branche gefühlt? Was hat sich seitdem verändert?

Andrea Tacht: Ich kann das nicht objektiv beantworten, da ich damals schon Anfang 30 war und immer respektvoll behandelt wurde. Ich war nach meiner Ausbildung sehr überrascht, wie viele Männer bei mir Fahrstunden nehmen wollten. Ich dachte, ich kriege alle Frauen. Aber das war nicht so. Vorbehalte gegenüber Frauen habe ich nicht erfahren.

Jeannine Przibilla-Welz: Manchmal kamen schon Sprüche. Gerade im Motorradbereich. Aber wenn man tough ist, kommt man sehr gut klar. Im Großen und Ganzen ist das Fahrlehrervolk sehr friedlich.

Wie hoch war der Frauenanteil in Ihren Seminaren während der Ausbildung zur Fahrlehrerin?

Elif Küpeli: Bei mir waren erschreckend wenig Frauen in den Seminaren. Denn es gibt immer noch die Vorurteile, dass wir Frauen diesen Job nicht können. Zu mir haben auch einige Männer vor meine Ausbildung gesagt „Das schaffst Du doch eh nicht“. Mich haben solche Aussagen motiviert, erst recht Gas zu geben. Viele Frauen schrecken solche Kommentare aber sicherlich ab. Aus meiner Sicht gibt es jedoch keine expliziten Männer- oder Frauenberufe. Wenn man etwas erreichen will, dann schafft man es auch.

Andrea Tacht: In meinem Ausbildungskurs waren damals relativ viele Frauen. Das war unüblich. Außer mir waren das allerdings allesamt Fahrlehrerfrauen bzw. -töchter, die ihre Angehörigen in der Fahrschule unterstützen wollten. Heute sind es viel mehr Frauen, die einfach nur Lust auf diesen Job haben. Viele Frauen kommen mit einer intrinsischen Motivation zu uns.

Der Frauenanteil bei Fahrlehrern ist im Vergleich mit anderen pädagogischen Berufen immer noch sehr gering? Haben Sie eine Idee, wie man mehr Frauen für diesen Beruf begeistern kann?

Andrea Tacht: Auch wenn ich mich jetzt unbeliebt mache: Frauen sind die besseren Fahrlehrer. Denn der Zugang in den Beruf ist nicht, dass man unglaublich toll Auto fahren kann. Da spielen viel mehr andere pädagogische und psychologische Skills eine tragende Rolle. Das müsste mehr herausgearbeitet werden. Früher waren es nur Mechatroniker, Taxifahrer oder Auto-Verkäufer, die Fahrlehrer wurden. Der Zugang in den Beruf ist nicht mehr „Ich kann Auto fahren“, sondern: „Ich arbeite an Einstellungen, ich bringe jemanden etwas bei“. Das müsste besser herausgestellt werden. Dann würden mehr Frauen den Weg in diesen Job finden.

Sie haben sich dazu entschlossen, sich als Fahrlehrerin mit einer eigenen Fahrschule selbstständig zu machen. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie in der Selbstständigkeit?

Jeannine Przibilla-Welz: Ich kann meinen Unterricht gestalten, wie ich das möchte. Ich kann eigene Unterrichtskonzepte entwickeln und entscheiden, welche Autos und Motorräder ich auswähle oder für welche Unterrichtsmaterialien ich mich entscheide. Nachteile sehe ich nicht. Herausfordernd sind die Büroarbeit und die Verantwortung für meine Mitarbeiter. Die sollen sich wohlfühlen, genug Fahrschüler und beste Vorrausetzungen für ihren Unterricht haben.

Sie sind auch Ausbildungsfahrlehrerin? Was war hierfür ihre größte Motivation?

Jeannine Przibilla-Welz: Ich hatte eine sehr gute Ausbildung und wollte das anderen Fahrlehrern irgendwann selbst mitgeben. Und ich wollte Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer so ausbilden, dass sie gut in unser Team passen. Mit der nötigen Frische und dem nötigen Elan. Das ist mir sehr wichtig.

Der pädagogische Anteil in der Fahrlehrerausbildung ist durch die Reform 2018 weiter gestiegen. Ist der Beruf dadurch für Frauen insgesamt attraktiver geworden?

Andrea Tacht: Nein. Aus meiner Sicht hat sich dadurch nichts geändert. Wenn hier jemand mit der Ausbildung anfängt, weiß sie oder er nicht, was in der neuen Reform so alles drinsteht.

Worauf freuen Sie sich besonders in Ihrem neuen Job als Fahrlehrerin?

Elif Küpeli: Ich freue mich auf meine Vorbildfunktion. Nicht nur, was das Autofahren angeht, sondern auch aus pädagogischer Sicht. Ich möchte jungen Menschen für Ihre Zukunft etwas Gutes mit auf den Weg geben. Irgendwann möchte ich mich selbstständig machen. Dann vielleicht mit einer reinen Frauen-Fahrschule, wo volle „Woman Power“ angesagt ist.

Was würden Sie mit Ihrer Erfahrung angehenden Fahrlehrerinnen mit auf den Weg geben?

Jeannine Przibilla-Welz: Man sollte von Anfang an Wert auf eine gute Ausbildung legen und sich eine gute Ausbildungsfahrschule suchen. Wenn man merkt, dass es nicht gut läuft, sollte man unbedingt wechseln. Ein permanenter Austausch mit der Ausbildungsstätte ist sehr wichtig. Das Ziel sollte sein, nach der Ausbildung dort auch zunächst zu bleiben. Interessenten sollten anfangs, wie ich es gemacht habe, einmal mitfahren. Dann findet man sehr schnell heraus, ob der Job etwas für einen ist oder nicht.

Andrea Tacht: Es gibt nichts, was ich speziell einer Frau sagen würde. Das Schöne ist die Flexibilität in diesem Job. Die Gefahr ist jedoch, dass man dazu neigt, sich durch diese Flexibilität selbst auszubeuten. Davor möchte ich angehende Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer warnen. Da man so viel Geld verdient, wie man Fahrstunden gibt, neigt man gern dazu, zu viel zu arbeiten. Und das ist nie gesund. Wenn man mehr machen möchte, sollte man sich aus- und weiterbilden. Zum Beispiel, wie ich, auf die Motorradklasse.

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