Was hat Sie nach 30 Jahren Berufsleben, davon acht Jahre als Lkw-Fahrerin, bewogen und motiviert, eine Ausbildung zur Fahrlehrerin bei den DVPI zu machen?
Heike Harms: Als meine Tochter den Führerschein gemacht hat, wurde ich von ihrem Fahrlehrer darauf angesprochen, dass aktuell Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer gesucht werden und ob ich nicht Interesse hätte. Daraufhin habe ich mich über den Beruf schlau gemacht.
Gab es einen bestimmten Moment, an dem Sie dachten: „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für etwas Neues“?
Der Job als Lkw-Fahrerin hat mir damals Riesenspaß gemacht. Von allein wäre ich nicht darauf gekommen, den Job zu wechseln. Ich habe dann aber den Infotag der DVPI besucht, fand das Thema hochinteressant und bin dann ins Grübeln gekommen.
Was hat Sie dann final zu einem Wechsel überzeugt?
Ausschlaggebend war, dass Lkw-Fahren eine sehr körperliche, anstrengende Arbeit ist. Da habe ich mir überlegt, ob ich das alles in zehn Jahren auch noch kann und bin zu dem Schluss gekommen, dass der Job der Fahrlehrerin deutlich „entspannter“ ist.
Was unterscheidet diese beiden Berufe, in denen man viel im Auto sitzt, am meisten?
Der größte Unterschied ist, wie bereits erwähnt, das Körperliche. Man sitzt bei beiden Jobs im Auto, aber zum Beispiel ist die Ladungssicherung beim Lkw schon sehr anstrengend. Und dann natürlich das ständige Be- und Entladen.
Wie haben Sie als erfahrene Berufskraftfahrerin die für den Fahrlehrerberuf erforderliche etwa einjährige Ausbildung wahrgenommen?
Es war viel Neues, vor allem das Pädagogische. Aber gerade das fand ich sehr spannend und ich bin auch recht gut durch alles durchgekommen. Wenn mich etwas fasziniert und mir Spaß macht, dann läuft das meistens auch sehr gut.
Wie haben Sie die Kosten der Ausbildung gestemmt?
Ich habe meine Ausbildung über die KfW („Kreditanstalt für Wiederaufbau“ - Anm. der Redaktion) finanziert. Das war finanziell ein Brett. Aber Ich habe schon immer alles selbst bezahlt. Und ich wollte unbedingt Fahrlehrerin werden. Etwa 80% meiner Mitauszubildenden haben eine Unterstützung vom Amt bekommen.
Was schätzen Sie heute besonders am Alltag als Fahrlehrerin im Vergleich zum Lkw-Fahren?
Das Zeitliche ist ein sehr großer Unterschied. Das Schöne am Fahrlehrerberuf ist, dass ich eine absolut freie Zeiteinteilung habe. Ich habe keinen Druck, bespreche alle Stunden individuell mit meinen Fahrschülerinnen und Fahrschülern und gestalte meinen Arbeitstag so, wie es für meine Schüler und mich am besten passt.
Wie haben sich Ihre Arbeitszeiten und Ihre Work-Life-Balance verändert?
Ich muss nicht jeden Morgen um 8:00 Uhr oder noch früher anfangen. In mein aktuelles Lebensmodell passt ein später Arbeitsbeginn besser – dann lege ich mir das eben so hin. Das finde ich richtig gut. Stress und Zeitdruck sind deutlich weniger als beim Lkw-Job.
Welche Kompetenzen aus der Lkw-Zeit helfen Ihnen besonders in der Ausbildung Ihrer Fahrschüler?
Geholfen hat mir das lange Fahren im Lkw. Dadurch kann ich den Verkehr sehr gut lesen und meinen Fahrschülerinnen und Fahrschülern gut vermitteln, auf was sie achten müssen. Meine langjährige Erfahrung erleichtert mir da einiges. Das alles weiterzugeben, finde ich schön.
Würden Sie anderen Lkw-Fahrerinnen und -fahrern empfehlen, über den Wechsel in die Fahrschule nachzudenken?
Definitiv. Ich hatte in meinem Lkw-Leben nie den Mega-Zeitdruck, das war bei Kolleginnen anders. Daher würde ich wegen der großen Freiheiten in der Planung den Fahrlehrerjob uneingeschränkt vorziehen. Und: Stillstand ist generell nie gut. Neue Herausforderung machen das Leben interessanter. Lkw-Fahren ist häufig Psychostress. Das ist im Fahrschulauto wesentlich besser. Man ist flexibler, hat mehr Freiheiten – und auf dem Konto landet in der Regel auch deutlich mehr.
Wie erleben Sie den Kontakt zu jungen Menschen – ist das für Sie eine Bereicherung?
Man trifft im Fahrschulauto die unterschiedlichsten Menschen. Deshalb bin ich ständig auf der Suche, wo der Punkt ist, an dem ich meine Schülerinnen und Schüler am besten greifen kann, dass man sich gut versteht. Das ist eine tolle und spannende Aufgabe.
Welche Entwicklungsmöglichkeiten haben Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer Ihrer Meinung nach heute?
Ich habe gerade die Weiterbildung zur Ausbildungsfahrlehrerin absolviert. Den Bus-Führerschein habe ich auch gemacht. Motorrad-Fahrlehrerin wäre auch noch spannend. Und die Möglichkeit, selbst Seminare zu leiten, ist natürlich auch sehr verlockend.
Fahrlehrer wird oft als Männerdomäne gesehen – wie erleben Sie das als Frau?
Ich fühle mich als Frau komplett wohl und angenommen. Das war auch schon als Lkw-Fahrerin so. Ich spüre keinerlei Nachteile.
Welche besonderen Stärken bringen Frauen Ihrer Meinung nach in den Beruf ein?
Ein Chef hat mal zu mir gesagt: „Als Frau hast Du was, was man sich nicht kaufen kann“. Viele Fahrschüler sehen in mir die „Mama“. Und auf die Mama hört man, die respektiert man. Meistens zumindest. Das kommt natürlich immer individuell auf den Typ Mensch an. Aber möglicherweise sind Frauen generell ein bisschen einfühlsamer.
Wie reagieren Fahrschülerinnen und Fahrschüler, wenn sie sehen, dass ihr Fahrlehrer eine Frau ist?
Ganz normal, niemand guckt schief. Es gab noch keine Probleme. Ich hatte schon so einige „Machos“, die sich nach bestandener Prüfung mit einem Blumenstrauß bei mir bedankt haben.
Was würden Sie Frauen sagen, die noch zögern, ob sie sich diesen Schritt zutrauen?
Für mich sind das drei Punkte: Zum einen die gute Bezahlung, andererseits der bereits erwähnte fehlende Zeitdruck. Und, dass ich alles selbst steuern kann. Ich mache meine Pläne immer selbst. Für meine Psyche, für meinen Körper und für meinen Geldbeutel war das die beste Entscheidung, die ich bislang nie bereut habe.
Wo sehen Sie sich selbst und den Beruf in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Ich will diesen Beruf ausüben, bis ich in Rente gehe. Eventuell schule ich dann auch auf Lkw und Bus. Wenn man noch wach im Kopf ist, kann man auch mit 75 Jahren noch Fahrlehrerin sein.
Wenn Sie zurückblicken: Was hätten Sie gerne schon früher über den Fahrlehrerberuf gewusst?
Ich hätte gern gewusst, wie schön dieser Beruf ist. Dann hätte ich wahrscheinlich schon früher gewechselt, hätte jetzt womöglich schon alle Fahrlehrerscheine und eventuell auch eine eigene Fahrschule. Doch, was nicht ist, kann ja noch werden.